23.06.2015 / Stefan Fedder

Rettungsschirm jetzt auch für Versicherungen?

Bild: © Thorben Wengert / pixelio.de

Bundesregierung will Autobahnen als Kapitalanlage anbieten

Nie ware sie sich so einig:

Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU), Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Gabriel (SPD) unterstützen einmütig die Vorschläge der sog. Fratzscher-Kommission zur Gründung einer bundesweiten Infrastrukturgesellschaft für Planung, Bau und Betrieb der Bundesfernstraßen in Deutschland.

Die Infrastrukturgesellschaft soll ähnlich wie die österreichische ASFINAG arbeiten und sich außerhalb des Bundeshaushaltes aus den Einnahmen der Maut sowie privaten Kapitalanlagen sog. institutioneller Anleger (wie z. B. Versicherungen und Banken) finanzieren. Zudem soll die Gesellschaft eigene Kredite aufnehmen können.  

Der Bund will also privates Kapital zur Finanzierung der maroden Verkehrsinfrastruktur aktivieren und mittels
Öffentlich-Privater-Partnerschaften – sogenannter ÖPP-Modelle – beispielsweise den 6-streifigen Ausbau und Betrieb einer Autobahn für ca. 30 Jahre komplett an ein privates Betreiberkonsortium vergeben.

Die Auslagerung der Infrastrukturmittel aus dem Bundeshaushalt in eine bundeseigene Infrastrukturgesellschaft ist jedoch ein finanzpolitischer Trick: Diese Mittel werden dann nicht mehr dem Haushalt des Bundes zugerechnet und unterliegen damit auch nicht den sog. Maastricht-Kriterien zur Neuverschuldung des Staates.

Diesen Trick hat man schon mit der Gründung der österreichischen ASFINAG angewandt und diese dann auch gleich mit mehreren Milliarden Euro Schulden gegründet. Schulden, die sie bis heute vor sich her schiebt.

Der Bund suggeriert dennoch folgende Vorteile:

  • Die Aktivierung privaten Kapitals für den Bundesfernstraßenbau entlaste den Bundeshaushalt.
  • Private könnten schneller und besser bauen, als die öffentlichen Straßenbauverwaltungen der 16 Bundesländer.
  • Die bundeseigene Infrastrukturgesellschaft könne effizienter arbeiten, als die Straßenbauverwaltungen der Länder.
  • Die 2020 in Kraft tretende Schuldenbremse könne eingehalten werden, da die Finanzierung der  Verkehrsinfrastruktur-gesellschaft außerhalb des Bundeshaushalts erfolge.
  • Die Einbindung privaten Kapitals sichere die von Versicherungen und Banken garantierten und versprochenen Renditen für Lebensversicherungen und Kapitalanlagen.

 

Position der komba Fachgruppe bei Straßen.NRW:

  • Bereitstellung und Unterhaltung einer öffentlichen Infrastruktur sind Teil der Daseinsvorsorge des Staates und dürfen nicht zum Spielball finanzpolitischer Interessen und internationaler Finanzströme werden.
  • Verkehrspolitische Interessen von Ländern und Kommunen dürfen der Gewinnorientierung von Banken und Versicherungen nicht untergeordnet werden. Diese versprechen sich schon heute bis zu 7% Rendite und werden mitentscheiden, wann und wo welche ÖPP-Projekte umgesetzt werden sollen.
  • Regionale und lokale Belange verlieren an Bedeutung. Bundesländer, Kreise und Kommunen werden somit deutlich weniger Einfluss nehmen können. Die Entscheidungen fallen dann in Berlin.
  •  Die Gründung einer bundeseigenen Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und Bundesstraßen widerspricht der grundgesetzlich verankerten Auftragsverwaltung der Bundesländer. Was kommt als nächstes? Die Auflösung der Bundesländer?
  • Dass ÖPP-Projekte für den Steuerzahler erheblich teurer werden, bestätigt auch der Bundesrechnungshof. Im Unterschied zu den öffentlichen Straßenbauverwaltungen der Bundesländer verfolgen Privatinvestoren das Ziel, Gewinne zu erwirtschaften.
  • Der Steuerzahler wird die Zeche – sprich die Renditen – zahlen müssen. Ist der Investor pleite, dann muss zudem der Staat einspringen.
  • Die öffentliche Hand baut die Straßen auch nicht selbst, sondern vergibt seit jeher Aufträge an Ingenieurbüros und Bauwirtschaft. Nur so haben Mittelstand und heimische Bauunternehmen überhaupt eine Chance, bei Planungs- und Bauprojekten berücksichtigt zu werden.
  • ÖPP-Projekte gehen in der Regel an Betreiberkonsortien von Großkonzernen. Der Mittelstand wird bestenfalls als Nachunternehmer berücksichtigt.
  • Private können nicht schneller planen und bauen als die öffentliche Hand, da für sie die gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen gelten.
  • ÖPP-Projekte, wie zum Beispiel der Neubau der Elbphilharmonie in Hamburg oder der 6-streifige Ausbau der BAB A1 zwischen Hamburg und Bremen, sollten Allen Warnung genug sein!

Bereitstellung und Betrieb einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur müssen  Aufgaben des Bundes und der Länder bleiben und dürfen kein Flickenteppich unterschiedlicher privater Betreiber werden. 

Die Schaffung einer bundeseigenen Infrastrukturgesellschaft sowie ÖPP-Projekte  gefährden die Qualität der deutschen Infrastruktur.

Sie bedrohen massiv die Arbeitsplätze der Straßenbauverwaltungen der Länder und des Mittelstandes.

Sie widersprechen dem föderalen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland und werden dem Steuerzahler am Ende teuer zu stehen kommen.

Wir sind verantwortlich für die Zukunft heutiger und kommender Generationen!

Der Staat darf sich seine Verantwortung nicht abkaufen lassen!

 

Positionspapier zur Infrastrukturgesellschaft samt ÖPP als PDF-Dokument zum Downloaden

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